ZEIT für die Schule
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Zwei Punkte für die Augen, fünf für den Mund, einer für die Nase – fertig ist der Smiley. Dima tippt die Punkte mit dem Zeige­finger auf dem Touchpad an. Noch ist das Bild nur auf der Grafik auf dem Bild­schirm zu sehen, doch schon bald leuchtet es auf den LED-Lämpchen des Mikro­controllers Calliope mini auf, wenn alles so läuft, wie die 14-Jährige es sich vorstellt. Dies ist erst das dritte Mal, dass sie mit der stern­förmigen hand­teller­großen Platine arbeitet, die entwickelt wurde, um Kindern ab dem Grund­schulalter ein Verständnis für das Programmieren zu vermitteln. Schwer fällt Dima das nicht. Den Calliope mini zu programmieren, ist kinder­leicht und funktioniert nach dem Bau­kasten­prinzip – dank der grafischen Programmier­sprache NEPO, mit der Dima im Open Roberta Lab eigene Programme für den Calliope erstellen kann. Eigentlich sollten Dima und ihre Mit­schüler im Rahmen der Übung bloß das Zufalls­spiel „Schere, Stein, Papier“ auf den Mikro­controller über­tragen. Weil Dima damit jedoch längst fertig ist, will sie ihr Spiel mit dem Smiley erweitern. Konzentriert blickt sie auf ihr Tablet und wählt einen Wenn-Dann-Block aus. In der Vorschau testet sie ihr Programm. „Es klappt!“, ruft sie begeistert.

Schülergruppe an Laptops
© Google Rechts zu sehen: Dima beim Programmieren von Calliope

Dima geht in die Klasse 8b an der Gemeinschafts­schule Bellevue in Saar­brücken (GTS), die im November 2016 von Bundes­bildungs­ministerin Johanna Wanka und der saarländischen Minister­präsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer zur ersten Smart School Deutschlands ernannt wurde. Innerhalb von fünf Jahren soll die Schule durch eine leistungs­fähige Infra­struktur, pädagogische Konzepte und Weiter­bildungs­angebote für Lehr­kräfte zu einer Schule der Zukunft entwickelt werden, einer Pilot­schule für digitales Lernen. Die Saar­brücker Schule ist schon seit den 1990er-Jahren eine Pionierin auf dem Gebiet. Damals übernahm Günter Hoffmann den Bereich IT an der GTS Bellevue: „Was uns als Schule damals angetrieben hat, war eine große Unzufriedenheit. Kein Lehrer war auf die Digitalisierung vorbereitet, die immer mehr auch an Schulen um sich griff; die Ausstattung war mangel­haft, unsere Schüler waren im Durch­schnitt fitter als die Lehrer.“ Hoffmann wollte sich damit nicht abfinden und auch nicht die lang­wierigen Entscheidungen der Ministerien abwarten. Stattdessen ging er in die Offensive und holte sich Unterstützung in der Wirtschaft: Durch persönliche Gespräche konnte er ein weltweit agierendes IT-Unternehmen als Kooperations­partner gewinnen.

Unterstützer aktiv gesucht – und gefunden

Andere Partner folgten, auch kleinere Unterstützer. „Wir haben bei vielen Firmen aus der Region gefragt, ob sie uns ausgediente Rechner geben könnten“, erzählt Hoffmann. „So kam ständig etwas Neues hinzu. Wir waren immer ein bisschen eher aus­gerüstet als die anderen.“ Und kompetenter: Unterstützt von IT-Unternehmen nahm die Schule die Weiter­bildung von Lehrenden ebenfalls selbst in die Hand. Ab 2005 zog schließlich die Landes­regierung mit. Ein E-Learning-Projekt, die „Lern­welt Saar“, wurde ins Leben gerufen, welches feder­führend von der GTS Bellevue in Kooperation mit mehr als 30 Schulen sowie unterstützenden Wirtschafts­partnern und dem Bildungs­ministerium geleitet wird. Mit der Idee eine Lern­umgebung einzurichten, in die alle Prozesse des digitalen Lernens integriert sind, betrat die GTS Bellevue Neuland. 2008 wurde die Bildungs­plattform „Lernwelt Saar“ sogar international ausgezeichnet. „Ab da ging es erst richtig los“, berichtet Hoffmann. Jahr für Jahr sei etwas Neues hinzu­gekommen – mal spezielle Möbel, mal die ersten Smart­boards.

Günter Hoffman in der GTS
© Google Günter Hoffmann unterrichtet an der GTS Bellevue Mathematik, Informatik und Sport und leitet den Bereich IT
Torsten Becker mit Schülerin
© Google Torsten Becker, Günter Hoffmanns Nachfolger und Lehrer für Geschichte und katholische Religion, gibt einer Schülerin beim Programmieren von Calliope Tipps

Aktuell verfügt die Schule über einen hoch­leistungs­fähigen Glas­faser-Breit­band­internet­anschluss, 40 Laptops, 100 PCs und 120 Tablets. Klassen­räume sind mit interaktiven Boards ausgestattet – und damit ist die GTS Bellevue schon digitaler Vor­reiter im Vergleich zu manch anderer Schule in Deutschland. Dazu kommt für den Bereich Natur­wissen­schaften noch ein 3-D-Visualisierungsgerät, welches die Schule zur Auszeichnung als Smart School bekommen hat. In der Robotik-AG kommen zehn Roboter­bausätze zum Einsatz, mit denen auf einfache Weise die Grund­lagen des Programmierens und der Robotik erlernt werden können. Der Klassen­satz Mikro­controller, für die ganz schnell eigene Programme geschrieben sind und mit denen sich Sachen in Bewegung bringen lassen, werden von Lehr­kräften im Unterricht an viel­fältigen Punkten eingesetzt.

Schüler am Smartboard
© Google Maximilian und Lea (hinten) sortieren am Spezial-Smartboard Begriffe (zum Thema Französische Revolution), die ihre Mitschülerinnen und Mitschüler per Tablet dort gepostet haben

Jedes Kind individuell und gezielt fördern

„Genauso wichtig wie Geräte ist aber das Konzept“, findet Torsten Becker. Der Geschichts- und Religions­lehrer ist der Nach­folger Hoffmanns, der im Frühling aus dem Dienst scheiden wird. Das Medien­konzept der Bellevue hat er erst kürzlich über­arbeitet, unter Berücksichtigung der speziellen Bedingungen an der Schule, an der Kinder aus mehr als 30 Nationen ganztags lernen. Neue Medien sind bei solchen Heraus­forderungen der Schlüssel. Zum Beispiel könnten bei Kindern mit Migrations­hintergrund Deutsch­kenntnisse mit individualisierten digitalen Lern­angeboten und -inhalten gezielt gefördert werden, so Becker. Überhaupt steht individuelles Lernen an der Gemeinschafts­schule im Fokus, unter anderem mittels der Lern­welten. Wie das geht, erklärt Silvia Umbreit, Lehrerin in der 8b: „Die Lern­welten sind zum Üben, Vor­bereiten und zum Wiederholen da. Die Schüler können sie zu Hause abrufen und in der Schule. Ich stelle den Kindern Aufgaben zur Verfügung und sie entscheiden selbst, wann sie diese lösen.“ So kommt es, dass an diesem Vormittag ein Teil der Kinder am Tablet seine Recht­schreibung trainiert, ein anderer Teil das Bruch­rechnen übt und sich zwei weitere am inter­aktiven White­board mit dem menschlichen Ohr beschäftigen: Maximilian und Lea versuchen sich an einem Lücken­text. Abwechselnd ziehen sie Bezeichnungen von Organen in die entsprechenden Kästchen. Ob sie dabei richtig liegen, erfahren sie sofort: Auf dem Board erscheint dann „richtig“ oder „falsch“. Eben das sei entscheidend, glauben Hoffmann und Becker. Sie sind überzeugt, dass die Inter­aktion mit dem Gerät den großen Unterschied zum klassischen Unterricht macht. „Wir beobachten, dass es für Schüler unglaublich motivierend ist, wenn ihnen interaktive Elemente eine direkte Rück­meldung geben,“ sagt Hoffmann. Gerade lern­schwache Kinder, die in der Klasse immer hinter­her­hinkten, erhielten mit Arbeits­materialien, die auf ihren Wissens­stand angepasst sind, neues Selbst­vertrauen.

Virtual Reality im Unterricht

Mit ihrem Medien­konzept nimmt die Schule regel­mäßig an Wett­bewerben teil, um mit Preis­geldern die digitale Ausstattung noch weiter auszubauen und die IT-Lösungen auf dem neuesten Stand zu halten. Sie wissen auch in Sachen Smart School ist an der GTS Bellevue noch nicht alles umgesetzt: Einen weiteren Schritt in die Zukunft des Lernens werden die Schülerinnen und Schüler in Saar­brücken mit Virtual Reality deshalb schon bald gehen. Günter Hoffmann möchte in Kooperation mit Google Schülerinnen und Schüler auf virtuelle Reisen im Klassen­zimmer schicken. Dafür wird die umfassende digitale Schulaus­stattung zudem um ein Google Expeditionen-Kit ergänzt, mit dem der Einsatz von Virtual Reality (VR) im Unterricht ganz einfach möglich wird. Das Kit beinhaltet ein Tablet für den Lehr­körper, einen Klassen­satz Smart­phones und Card­boards aus Pappe, die als VR-Brillen dienen. Mit der App „Google Expeditionen“ wird es somit möglich, dass Schülerinnen und Schüler auf fesselnde Art und Weise neues Wissen erlangen und Inhalte neu erleben können. Ab 2018 wird an der GTS Bellevue also mit Haien geschwommen, der Welt­raum erforscht oder durchs Museum mit Dinosauriern spaziert – und das alles, ohne das Klassen­zimmer zu verlassen.

© Google

Gemeinschafts­schule GTS Bellevue

Ungefähr 600 Schülerinnen und Schüler besuchen die 4-zügige Gemeinschafts­schule GTS Bellevue in Saarbrücken. Die Schule ist seit 2010 eine „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und wurde im Jahr 2014 als erste saarländische Gemeinschafts­schule eine „Fair-Trade-Schule“. Im Rahmen des IT-Gipfels 2016 in Saarbrücken wurde die GemS Bellevue vom BITKOM als bundes­weit erste „Smart School“ für ihre Konzepte im Bereich digitale Bildung ausgezeichnet.